Drei Fragen an ... Dr. Lisa Allegra Markert (Bitkom e. V.) „Die Präsenzkultur wird infrage gestellt“

Portrait Dr. Lisa Allegra Markert
Dr. Lisa Allegra Markert, Bitkom e. V. © Bitkom e. V.

„Corona als Auslöser eines nachhaltigen Kulturwandels“

Dr. Lisa Allegra Markert ist Referentin für Arbeitsrecht & Arbeit 4.0 beim Branchenverband Bitkom. Ihre Prognose: Arbeitgeber und Beschäftigte, die gute Erfahrungen mit der Arbeit im Homeoffice gesammelt haben, konnten Vertrauen aufbringen und ein hohes Maß an Selbstorganisation erreichen. Dies wird einen nachhaltigen Kulturwandel auslösen, der vor allem Eltern und pflegenden Beschäftigten zugutekommt.  

  1. Ist eine familienfreundliche Ausrichtung von Unternehmen insgesamt ein Gelingensfaktor bei der pandemiebedingten Arbeit von Beschäftigten im Homeoffice?
    Die erfolgreiche Arbeit im Homeoffice erfordert aufseiten des Arbeitgebers Vertrauen, aufseiten der Mitarbeiter*innen ein hohes Maß an Selbstorganisation und Selbstdisziplin. Homeoffice bietet einerseits Vorteile für berufstätige Eltern bei der Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben, andererseits können durch eine möglicherweise fehlende Abgrenzung von beruflicher und familiärer Sphäre neue Probleme entstehen. Arbeitgeber, die ihren Beschäftigten mehr Vertrauen entgegenbringen, auf die privaten Umstände Rücksicht nehmen und für berufstätige Eltern und pflegende Angehörige Freiräume schaffen, steigern die Zufriedenheit ihrer Arbeitnehmer*innen und schaffen die besten Voraussetzungen für gute Arbeitsergebnisse. Dies gilt insbesondere während der Pandemie, in der viele berufstätige Eltern und pflegende Angehörige darauf angewiesen sind, neben der Arbeit Kinder oder andere Familienangehörige zu betreuen. Der Schlüssel zu einer bestmöglichen Vereinbarkeit von Beruf und Familienleben ist orts- und zeitflexibles Arbeiten unter Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse der Mitarbeiter*innen.
  2. Wird der Digitalisierungsschub die immer noch weit verbreitete Präsenzkultur in deutschen Unternehmen hinterfragen oder gar beenden und wie werden Beschäftigte mit familiären Pflichten davon profitieren?
    In der Coronapandemie hat sich die noch immer weit verbreitete Präsenzkultur als besonderes Problem erwiesen. Es ist davon auszugehen, dass unter dem Druck des gebotenen Infektionsschutzes die Präsenzkultur zunehmend infrage gestellt wird. Insofern kann Corona der Auslöser für einen nachhaltigen Kulturwandel sein, der sich jedoch nicht von heute auf morgen vollziehen wird. Der Großteil der Arbeitgeber und Arbeitnehmer hat mit Homeoffice in der Pandemie positive Erfahrungen gemacht. Auf beiden Seiten gibt es Vorteile, etwa mögliche Kosteneinsparungen auf Arbeitgeber- und eine bessere Work-Life-Balance auf Arbeitnehmerseite. Diese Entwicklung wird nach der Pandemie nicht einfach zurückgedreht werden. Wer positive Erfahrungen gesammelt hat, wird auch in Zukunft flexibles Arbeiten einfordern. Dieser Wandel kommt vor allem berufstätigen Eltern und pflegenden Angehörigen zugute.
  3. Wie lässt sich Führen auf Distanz familienorientiert umsetzen?
    Familienorientiertes Führen auf Distanz setzt eine gute Kommunikation zwischen Mitarbeiter*in, Team und Führungskraft voraus. Gerade mit Blick auf die Verfügbarkeit und Erreichbarkeit ist es sinnvoll, Verständnis füreinander zu entwickeln, im Vorhinein Absprachen zu treffen, die möglichst die Interessen und Bedürfnisse aller Beteiligten berücksichtigen, und diese auch für alle transparent zu kommunizieren (z. B. im Kalender). Damit ist dann klar, wer wann wie verfügbar ist und wie man jemanden in absoluten Eilfällen auch einmal zwischendurch erreichen kann. Gegebenenfalls können auch teamübergreifend Absprachen getroffen werden, wann welche Erreichbarkeit erforderlich ist und wann nicht.

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