Tillmann Prüfer ist stellvertretender Chefredakteur des ZEIT-Magazins, wo er regelmäßig über sein Leben als Vater von vier Töchtern berichtet. Sein jüngstes Buch heißt dann auch: „Vatersein: Warum wir mehr denn je den neuen Vater brauchen“. Er vertritt vehement die These, dass Väter immer noch das Ideal des Alleinernährers tief verinnerlicht haben und es eine gesellschaftliche Notwendigkeit ist, dieses Narrativ des Industriezeitalters zu durchbrechen, nicht nur um der Väter willen, sondern auch, um das Fachkräfteproblem zu lösen. Er arbeitet seit Jahren in 80 Prozent.
Herr Prüfer, Sie sagen, die Alleinernährerrolle prägt Männer und damit auch Väter stärker als wir es wahrhaben wollen. Wie haben Sie persönlich den Sprung raus aus dieser Rolle gefunden?
In der Tat halten die meisten Väter am Fetisch der Vollzeitarbeit fest, weil sie seit der Industrialisierung, mit der eine räumliche Trennung von Arbeit und Familienleben einherging, darauf geeicht sind, eine Familie allein ernähren zu können. Das heißt nicht, dass ihre Partnerinnen nicht dazuverdienen. Sie tun dies aber meist nicht, um die Familie zu ernähren, sondern um sich von ihrem männlichen Partner unabhängig zu machen. Ich selbst bin nach der Geburt meiner ersten Tochter in diese Vollzeitfalle getappt und musste nach einer gescheiterten Beziehung mit meiner neuen Partnerin neue Rollen verabreden. Sie hat klargemacht, dass es ein Leben in traditionellen Rollenmustern mit ihr nicht geben würde. Erst dann habe ich verstanden, dass es in unser beider Interesse war, meine Karriere zu unterbrechen, um mich um meine zweite Tochter zu kümmern.
Wir reden viel über die neuen Väter, die mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen. Umfragen zeigen aber, dass es zwischen dem Wunsch, mehr für die Familie zu tun, und der Wirklichkeit noch eine Lücke gibt. Was klappt in der Kommunikation zwischen Vätern und ihren Arbeitgebern noch nicht?
Arbeitgeber haben noch nicht verstanden, dass es nicht reicht, sich weniger zu sperren, wenn Väter ihre Arbeitszeit reduzieren wollen, sondern dass sie Väter aktiv nach Hause schicken müssen. Es gibt eine Art Stillhalteabkommen zwischen Vätern und Arbeitgebern, dass an der Vollzeit als Norm nicht gerüttelt wird. Arbeitgeber haben in der Mehrheit immer noch die Vorstellung, dass Führungsaufgaben nur in 100 Prozent wahrgenommen werden können. Väter argumentieren dann in der Regel nicht, dass die Kernaufgaben auch in 30 Stunden erledigt werden könnten. Väter glauben, dass sie abends und am Wochenende gute Väter sein und eine echte Verbindung mit ihren Kindern aufbauen können. An Müttern bleibt quasi automatisch die Carearbeit hängen. Nach drei Jahren zu Hause oder in geringer Teilzeit ist die Lohnlücke zwischen beiden groß und die Frage der geteilten Ernährerrollen stellt sich nicht mehr.
Was können Unternehmen tun, um den Vätern in ihrem Betrieb nicht nur Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu bieten, sondern sie auch zu befähigen, diese in Anspruch zu nehmen?
Das ist kein Problem, das man auf einer Ebene lösen kann. Unternehmen müssten Teilzeit auch für Männer in ihre Struktur einarbeiten. Väter arbeiten seltener in Teilzeit als Männer ohne Kinder, weil bei ihnen, sobald das erste Kind auf der Welt ist, die Vorstellung einrastet: ‚Ich muss meine Familie ernähren, ich muss mich anstrengen.‘ Wenn beide Eltern 80 Prozent arbeiten, bringen Väter sich nicht mehr massenhaft um die schönste Zeit mit ihren Kindern, und Mütter wachsen nicht in eine gesellschaftlich immer noch akzeptierte Rolle hinein, aus der sie nicht mehr herauskommen und stürzen, wenn sie alleinerziehend sind, nicht in Armut. Der Arbeitsmarkt würde mehr weibliche qualifizierte Fachkräfte bekommen und zufriedenere und vielleicht auch gesündere Väter halten. Ich bin überzeugt davon, dass man jede Position auch in vier Tagen ausfüllen kann.