In der Rubrik „Klartext“ stellen wir eine These zum jeweiligen Schwerpunktthema auf und bitten Expertinnen und Experten, dazu knapp Stellung zu nehmen. Lesen Sie in dieser Ausgabe Beiträge von Dr. Ulrich Kuther, Geschäftsführer der hessenstiftung – familie hat zukunft, und von Brigitte Dinkelaker, Projektleiterin „Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestalten!“ beim Deutschen Gewerkschaftsbund. Bei den Kommentaren handelt es sich um persönliche Ansichten des Autors und der Autorin.
These: Schichtarbeit hat Konjunktur. Gleichzeitig sind jüngere Menschen schwerer für Schichtarbeit zu gewinnen. Daraus folgt: Nur wenn Unternehmen ihre Beschäftigten konkret in die Dienstplanung einbeziehen und wenn sie flächendeckend lebensphasenorientierte Angebote unterbreiten, wie Wahlarbeitszeit und zeitweiliger Verzicht auf Nachtarbeit, können sie in Zukunft noch ausreichend Personal gewinnen.
Schichtarbeit wird „systemrelevant“
Eine Erkenntnis aus der aktuellen Corona- Pandemie ist, dass wir plötzlich ganz neue Berufe als „systemrelevant“ einstufen. Damit erfährt u. a. der Bereich der Pflege-, Sorge- und Erziehungsarbeit eine längst fällige Aufwertung. Denn der „Care“-Bereich kämpft mit Personalmangel aufgrund vermeintlich schlechter Bezahlung und aufgrund des Schichtdienstes. Diejenigen, die Berufe im Dienst am Menschen ergreifen, sind meist von hoher innerer Motivation getragen. Ihnen lässt sich entgegenkommen, wenn Entgelt in der neuen, immer beliebter werdenden Währung „Zeit“ gezahlt wird.
Mehr Freizeit in bestimmten Lebensphasen lässt sich z. B. darstellen, wenn Lebensarbeitszeitkonten eingerichtet werden. Im Blick auf die Vereinbarkeit von Beruf und Privat- und Familienleben könnten Arbeitgeber dann noch punkten, wenn die Schichten möglichst selbstbestimmt und unter Einbeziehung der jeweiligen Partnerinnen oder Partner zusammengestellt werden können. Die Rezepte heißen: hohe innere Motivation nicht bremsen, in Freizeit entlohnen bzw. auf bestimmte Lebensphasen ansparen lassen und eigenverantwortliche Schichtplanung zulassen. Vergangenen Dezember hatten wir bei unserem Kongress zu diesem Thema ermutigende Beispiele aus dem Pflegebereich und dem Gastgewerbe. Pflege ist heute „systemrelevant“, die Hotellerie ist vom „Shutdown“ mit am meisten betroffen. Beide können beim Aufatmen nach der Krise Personal gewinnen, wenn sie diese Rezeptur nicht vergessen.
Mitbestimmung tut immer gut!
Junge Menschen achten zu Recht immer stärker darauf, dass die Arbeit zum eigenen Leben passt, zu den familiären Bedingungen und zu eigenen Lebenswünschen.
Im Arbeitsalltag sieht es aber leider oft so aus: Schichtpläne werden erst ein paar Tage vor Beginn verteilt und ändern sich immer wieder. Wenige freie Wochenenden stehen zur Verfügung und die viele Nachtarbeit schlaucht auf Dauer.
Zum Glück machen sich gerade Personal- und Betriebsräte hier oft stark dafür, gute Regelungen zu erkämpfen. Für mehr Flexibilität und Entlastung im Schichtsystem sorgen beispielsweise Tauschbörsen für Mitarbeitende, „Schichtdoodle“ und Springerpools über einzelne Schichten hinweg. Entlastend sind auch variable Anfangs- und Endzeiten oder ergänzende Sonderschichten.
Das A und O liegt dabei nicht nur für junge Beschäftigte in der Planbarkeit von Einsätzen sowie von freien Abenden und Wochenenden. Das geht natürlich nicht immer reibungslos über die Bühne. In einem Berliner Hotel beispielsweise hat ein Betriebsrat erkämpft, dass pro Verstoß gegen den ausgehängten Schichtplan 200 Euro an den oder die Betroffene bezahlt werden müssen. Jetzt kommen Verstöße kaum noch vor.
Neben kompetenten Führungskräften spielen hier Tarifverträge, Mitbestimmungsrechte und starke Personal- und Betriebsräte eine große Rolle. GUTE ARBEIT ist attraktiv. Und zwar für alle! Und darauf wird es auch in Zukunft ankommen, wenn wir junge Menschen langfristig binden wollen.