Drei Fragen an Frank Brenscheidt Was ist im Schichtdienst familienfreundlich?

Frank Brenscheidt
Frank Brenscheidt © Frank Brenscheidt

Frank Brenscheidt ist Arbeitszeitexperte bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Er plädiert für einen weit gefassten Begriff von Familienfreundlichkeit: Bei der Schichtgestaltung sollte es nicht nur darum gehen, Betreuung sicherzustellen. Wichtig sei als Gestaltungsparameter auch, sozial wertvolle Zeit mit der Familie verbringen zu können.

Herr Brenscheidt, wie lässt sich Schichtarbeit grundsätzlich in Richtung Familienfreundlichkeit gestalten?

Schichtarbeit unterliegt immer Restriktionen und bedarf daher auch immer der Kompromisse. Familienorientierte Schichtmodelle beachten die arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse zur Gestaltung von Nacht- und Schichtarbeit, besonders wichtig ist dabei die Planbarkeit und Vorhersehbarkeit. Einmal aufgestellte Schichtpläne sollten auch eingehalten werden und kurzfristige Änderungen oder das Einspringen aus dem Frei sollten vermieden werden. Aus meiner Sicht ist Schichtarbeit familienfreundlich, wenn Eltern mit ihren Kindern sozial wichtige Zeit am Wochenende und abends miteinander verbringen können.

Ein neuralgischer Punkt für Eltern kann die Schichtübergabe sein, oft erfolgt sie morgens recht früh. Dies deckt sich nicht mit Kitaöffnungszeiten oder dem Schulbeginn. Betriebe können hier mehr Flexibilität schaffen. Außerdem sind Arbeitszeitkonten auch für Beschäftigte im Schichtdienst sehr familienfreundlich. Wenn es nicht erforderlich ist, dass Beschäftigte zu einer bestimmten Uhrzeit die Arbeit an einer Maschine übernehmen, können sie auch individuell früher beginnen oder später aufhören.

Wenn bei einem Kollegen eine Pflegesituation auftritt, die nicht kurzfristig gelöst werden kann, ist ein guter Umgang damit, ihm Teilzeit anzubieten, um dem Betrieb wenigstens einen Teil seiner Arbeitskraft zu erhalten. Leider sind Jobsharing oder Schichtarbeit in Teilzeit bislang in vielen Bereichen noch nicht akzeptiert. Doch im Tandem können sich zwei oder mehrere Beschäftigte die Arbeit teilen und sich auch im Notfall gegenseitig vertreten.

Wie können Betriebe ihre Beschäftigten aktiv in die Schichtgestaltung einbeziehen?

Schichtarbeit verlangt immer Kompromisse. Um Beschäftigten mehr Einfluss auf die Schichtplangestaltung zu ermöglichen, sollten mögliche Gestaltungsoptionen geklärt und dann im Team gestaltet werden. So können alle wichtigen Parameter, oft auch die private Situation der Kolleginnen und Kollegen zu Hause und Wünsche berücksichtigt werden. Von betrieblicher Seite muss allerdings darauf geachtet werden, dass alle gesetzlichen Rahmenbedingungen und arbeitswissenschaftlichen Aspekte bedacht sind.

Eltern empfinden es oft als vorteilhaft, wenn immer ein Elternteil zu Hause bei den Kindern sein kann, was aber u. U. dazu führt, dass sie sich nur noch „die Klinke in die Hand geben“. In der Woche sollten ein oder zwei Abende – und möglichst auch gemeinsame Wochenenden – frei sein. Selbstverständlich sollten Beschäftigte auch kurzfristig Schichten tauschen können. Auch Wahlarbeitszeiten, Wunschschichten mit „Jokern“ – also frei wählbaren Schichtzeiten – sind eine gute Möglichkeit, Beschäftigte einzubinden.

Ist es sinnvoll, Eltern mit Kleinkindern und Menschen mit hoher Pflegeverantwortung besondere Schichtlösungen anzubieten? Wenn ja, wie könnten diese aussehen?

Das kann im Einzelfall sinnvoll sein. Es ist auch häufig Realität, dass ein Team dem Kollegen oder der Kollegin kurzfristig „Wunschschichten“ einräumt, dies sollte aber nur für einen beschränkten Zeitraum so sein. Oft sind das jedoch – gerade bei Pflegeverantwortung – nicht nur kurze Phasen. Wir dürfen nicht aus dem Blick verlieren, dass, wenn ein Teammitglied ausfällt, immer jemand einspringen muss. Dann kommen Teams, die das kompensieren, auch an ihre Belastungsgrenzen. Arbeitgeber sollten durch ein geeignetes Ausfallmanagement vorbereitet sein, z. B. mit einem „Springerpool“. Alternativ ist der Personalbedarf durch zusätzliche Einstellungen zu sichern. 

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