"Gute Work-Life-Balance als Erfolgsgrundlage"
Fünf Fragen an Dr. rer. nat. Tim Nesemann
Welche familienfreundliche Maßnahme haben Sie in Ihrem Unternehmen zuletzt eingeführt – und warum?
Dr. Tim Nesemann: Wir haben einen „Gesprächskreis Pflege“ während der Arbeitszeit ins Leben gerufen. Eingeladen sind dazu alle interessierten und betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das Thema Pflege konnten wir durch diesen Gesprächskreis enttabuisieren. Der Gesprächskreis ermöglicht einen vertrauensvollen Austausch während der Arbeitszeit ohne zusätzlichen Betreuungsaufwand für die mit Pflegetätigkeiten betroffenen Kollegen. Es ist bereits in den ersten Treffen erkennbar geworden, dass dieser wertschätzende Austausch den Betroffenen hilft und ihnen zeigt, dass sie nicht alleine mit ihren Problemen sind.
Warum praktizieren Sie in Ihrem Unternehmen eine familienbewusste Personalpolitik?
Dr. Tim Nesemann: Wir sind überzeugt davon, dass wir nur mit motivierten und zufriedenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern langfristig erfolgreich sein können. Besonders im Dienstleistungsbereich mit direktem Kundenkontakt ist es unverzichtbar, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter täglich mit vollem Engagement zum Wohle unserer Kunden im Einsatz sind. Das geht aber nur dann, wenn sie auch eine gute Work-Life-Balance haben. Aus diesem Grund haben wir die Vereinbarkeit von Beruf und Familie fest in unserem Leitbild verankert und in unserer Führungskultur etabliert.
Welche Rolle kommt den Unternehmen in Bremen und in ganz Deutschland zu, wenn es darum geht, die Arbeitswelt familienfreundlicher zu machen?
Dr. Tim Nesemann: Sicher haben Unternehmen eine zentrale Rolle, wenn es darum geht, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern. Mit unserem Selbstverständnis als Leistungs- und Sozialgemeinschaft sowie unseren Unterstützungsangeboten sind wir sehr gut aufgestellt und haben bereits viel erreicht. Das zeigt auch unsere Auszeichnung als bester Arbeitgeber in Bremen und Niedersachsen aus der letzten Great Place to Work-Mitarbeiterbefragung. Wir dürfen aber auch nicht so tun, als wäre das Problem gelöst, wenn Unternehmen die Vereinbarkeit unterstützen. Frauen sollen mehr Verantwortung in Führungspositionen übernehmen und dies möglichst in Vollzeit, um unter anderem drohender Altersarmut vorzubeugen. Doch wie soll das gehen, wenn auch Männer weiter Vollzeit arbeiten? Wenn Kinder spätestens um 16 Uhr aus der „Ganztagsbetreuung“ abzuholen sind, 13 Wochen Schulferien überbrückt werden müssen, nachmittags Termine der Kinder anstehen oder wirklich mal jemand ernsthaft krank wird? Ohne jemanden, der einem den Rücken stärkt geht es fast nicht, das weiß ich als Vater von drei Kindern sehr genau. Auch ich habe keine 100%-Lösung parat. Ich bin überzeugt davon, dass Arbeitgeber und flexible Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter diese Herausforderung nicht alleine lösen können. Aus meiner Sicht muss gesellschaftspolitisch ein Umdenken erfolgen – bestenfalls im Dialog mit Unternehmen und Arbeitnehmern.
Welches Erlebnis hat Sie im Zusammenhang mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf am stärksten beeindruckt?
Dr. Tim Nesemann: Das war in diesem Jahr, als ich erneut bei unserem Treffen der Mütter und Väter in Elternzeit teilgenommen habe. Hier war ganz deutlich zu spüren, wie groß und existenziell zum Teil die Sorgen und Nöte der Mütter sind, wenn es darum geht, möglichst schnell und nicht nur in Teilzeit wieder in den Beruf einzusteigen. Der in diesem Kreis sehr offene, vertrauensvolle Umgang mit zum Teil sehr emotionalen Momenten hat mich nachhaltig beeindruckt. Gleichzeitig hat es mir auch gezeigt, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mir, bzw. ihrem Arbeitgeber vertrauen und dass sie wissen, dass wir sie nicht alleine lassen. Eben so, wie es in einer funktionierenden Leistungs- und Sozialgemeinschaft sein sollte.
Kurzvita
- Jahrgang 1970
- verheiratet, drei Kinder
- Mathematikstudium und Promotion, Studium zum Diplom-Kaufmann
- seit Oktober 1995 bei der Sparkasse im Kundengeschäft
- seit 2004 Mitglied des Vorstandes der Sparkasse Bremen mit Verantwortung u.a. für Finanzen,
- Risiko, Kreditüberwachung und IT
- seit Dezember 2007 stv. Vorsitzender, seit Februar 2009 Vorsitzender des Vorstandes der Sparkasse Bremen
- Präsident des Verbandes der Deutschen Freien Öffentlichen Sparkassen e.V. und stv. Vorstandsmitglied des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes
Über die Sparkasse Bremen AG
- Branche: Finanzdienstleister
- Produkte/Dienstleistungen: Markt- und Unternehmenskommunikation
- Beschäftigte: 1.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
- Familienfreundliche Maßnahmen: u. a. flexible und individuelle Arbeitszeitregelungen, Sozialleistungen, betriebliches Gesundheitsmanagement, Dialogkonzept Elternzeit, Gründung des Familienbündnis e.V. als Träger für Kindertagesbetreuung, Kooperation mit der Bremer Heimstiftung und Pflegestützpunkt Bremen, finanzielle Unterstützung bei Kinder-Ferienbetreuung, Informationsveranstaltungen, Gesundheitsraum und Familienzimmer im FinanzCentrum Am Brill, Sozialberatung, seit 2007 Auszeichnung mit dem Zertifikat "audit berufundfamilie" der Hertie-Stiftung
Weitere Informationen: www.sparkasse-bremen.de